Wörter sind wie Pfeile…
Einmal “abgeschossen” kann man sie nie wieder zurückholen.
Neulich hatte ich ein Coaching-Gespräch mit meinem Coachee und sie erzählte mir von einer typischen Misskommunikation zwischen ihr und ihrem Partner. Über die Reaktionsgeschwindigkeit, wie schnell sie auf seine Aussagen mit einer Verteidigung reagierte, war ich schon als Kampfkünstlerin sehr neidisch. Doch diese “pfeilschnelle” Reaktion – wie sich später herausstellte – führte letztlich zu einer sehr verfahrenen Situation für beide, dessen Umstand auch beide wirklich verletzt hat. Loose-Loose-Situation. Als Entschuldigung gab sie an “dass sie das Gesagte ja gar nicht so gemeint und er sie folglich falsch verstanden habe”. Ich fragte sie, wie viel Zeit sie sich für ihre Antwort genommen und mit wie viel Bedacht sie ihre Worte ausgewählt habe.
Und da war er: des Pudels Kern. (“Das ist des Pudels Kern. Eine Redewendung, die wir benutzen, wenn wir etwas herausgefunden haben, was zunächst nicht offensichtlich war.”)
Ich glaube jeder Gesprächspartner würde es vorziehen, wenn wir in einer bedeutsamen Situation innehalten und ehrlich zugeben, dass wir nach den “richtigen” Worten suchen müssen, um wahrhaftig ausdrücken zu können, was wir meinen und was wir mit unserer Sprache erreichen wollen, bevor wir ihn / sie mit vorschnellen Reaktionen “verletzten”. Wichtig dabei ist nur: eine verbale Reaktion muss kommen. Das Ungesagte einfach im Raum stehen zu lassen führt nur zu neuen Missverständnissen und Konflikten. Die wenigsten Menschen sind sich der wahren Macht unserer Sprache und unserer Kommunikation tatsächlich bewusst. Sprache erklärt unsere Welt; die eines jeden einzelnen. Denn jeder von uns lebt in seiner eigenen “Welt”, die durch Sprache, Sinneseindrücke, Erziehung und Erfahrungen entstanden ist.
Wörter werden in unserem Alltag unbewusst als Waffe benutzt und können bei unseren Mitmenschen – und leider in den meisten Fällen bei denen, die uns besonders nahe stehen – zu Verletzungen und sogar zu einem Trauma führen.
Wörter können unser ganzes „Weltbild“ aufbauen oder zerstören. Wörter, die ein Trauma in uns auslösen oder denen wir eine negative Bewertung zuschreiben, können schlimmere (seelische) Verletzungen – bis hin zu Persönlichkeitsstörungen – verursachen, als tatsächliche und offensichtliche (Kampf)Wunden. In der Psychologie bezeichnet ein Trauma „eine starke psychische Erschütterung, die (im Unterbewusstsein) noch lange wirksam ist“. Häufig werden diese Traumata von uns nahestehenden Personen, oder Menschen zu denen wir Aufsehen (z.B. Familienmitgliedern, Freunden, Partnern, Führungskräften), zum Teil unbewusst in uns ausgelöst. Aus medizinischer Sicht ist ein Trauma „eine durch Gewalteinwirkung entstandene Verletzung des Organismus“. In beiden Fällen findet also eine Verwundung unseres Körpers und / oder unserer Seele statt.
Wie häufig hast Du in einem Streitgespräch von Deinem Gegenüber schon einmal diesen Satz gehört: “Aber Du hast gesagt…” und wie häufig hast Du darauf schon geantwortet: “Aber so habe ich das doch gar nicht gemeint…”?
Wir tendieren dazu zu glauben, dass sprachliche Missverständnisse nur dann entstehen, wenn wir in einer anderen – als unserer Muttersprache – miteinander kommunizieren. Ich stelle nahezu täglich fest, dass wir uns auch in unserer eigenen Muttersprache so häufig missverstehen und dies zu ernsthaften Streitigkeiten, wenn nicht sogar ernsthaften Zerwürfnissen kommt.
An dieser Stelle dürfen wir uns eingestehen, dass jeder einzelne von uns, ungeachtet seiner Ausbildung oder Herkunft, sich eines anderen Wortschatzes bedient und auch, wenn es orthographisch betrachtet, dasselbe Wort ist, für jeden (vielleicht) eine andere Bedeutung hat. Ausgenommen davon mögen Wörter, die die Dinge des täglichen Bedarfs – wie z.B. Kaffee, Banane, Brot – sein. Diese bieten nicht allzu viel Interpretationsspielraum.
Der für mich wohl größte Gefahrenherd für Missverständnisse und Misskommunikation dürfte wohl jeder Instant-Messaging-Dienst sein. Es hat einen Grund, weshalb WhatsApp irgendwann die Funktion hinzugefügt hat, dass man Nachrichten bis zu 90 Minuten nach dessen Versand (wenn der Empfänger sie noch nicht gelesen hat) wieder löschen kann. Und wie schnell ist es Dir schon passiert, dass Du eine Antwort auf eine Nachricht verschickt hast – in der Eile – und diese nach dem Versenden fürchterlich bereut hast? Du hast also einen Pfeil abgeschossen, (vielleicht) mit der Absicht zu verletzen und (glücklicherweise) festgestellt, dass das gar nicht Deine Intention war. Schwupps. Gelöscht. Schaden begrenzt.
Was ich aber zunehmend feststelle, ist, dass uns dies im Alltag nicht mehr so gut gelingt. Unsere verbalen Reaktionen sind, wie in einem Messenger-Dienst, derartig pfeilschnell geworden, dass wir uns gar nicht mehr die Zeit nehmen, darüber nachzudenken, wie wir uns “eigentlich” ausdrücken wollen und was unsere Worte für unser Gegenüber bedeuten sollen.
Wir können den Pfeil in den Bogen legen und ihn spannen, bevor ihn abschießen, sollten wir uns jedoch fragen, ob wir das wirklich wollen. Viel Spaß beim Ausprobieren!
Es gibt nichts zu verlieren… nur zu gewinnen!